Ilona Kálnoky
Ilona Kálnoky

born 1968 in Styria, Austria

(Download CV as PDF)


education
skilled crafts degree in Ceramics, Austria
art academy Weissensee, Berlin,D 
Meisterschülerin - Berndt Wilde, Karin Sander

co-founder of UM-Festival für zeitgenössische Kunst, Musik und Literatur, D www.um-festival.de

since 2021 workshop `Art as Communication´ at HNE Eberswalde, D


solo exhibitions
2019 push&pull Gräfliches Kurbad, Bad Driburg, D
2016 zwischenhierundgestern, Galerie Curtze/Seiser Salzburg, A
2015 Picture Window Series #2, Manière Noire, Berlin, D
2012  Kunstkammer, Georg Kolbe Museum, Berlin, D 
2009 leibwerden, Galerie Curtze, Berlin, D
2008 Geste, Landesgalerie Salzburg im Trakl Haus, Salzburg, A 
2007 Leib, Galerie Heike Curtze, Wien, A 
2006 Kontemplation, Galerie Heike Curtze, Berlin, D 
   
group exhibitions (selection)
2022 Enter Art Fair DK - a.e.artis Gallery, Chemnitz, D
2021 State of Things – a.e artis gallery, Chemnitz, D
New Horinzons BVBK und Produzentengalerie M, Potsdam, D
New Horinzons BVBK und Produzentengalerie M, Potsdam, D
Nachbarschaft Bioshäre – UM Festival + HNEEberswalde, D
Kunst Kann / Einblicke in zeitgenössische künstlerische Haltungen,
HAL Lützowplatz, Berlin, D; Schloss Meran, I; St Hyppolith, St Pölten, A
2020 Kunst Kann/Einblicke in zeitgenössische künstlerische Haltungen,
Ausstellungsprojekt von Dagmar Frick- Islitzer, Engländerbau, Vaduz, FL
incremental abstraction, Kunstverein Tiergarten, Berlin, D
sleep is overrated, Kurt-Kurt, Berlin, D
2019 focusonabstraction, 2019, Milchhof Pavillon, Berlin, D
SPIEGELUNGEN, Galerie Nosbaum Reding,
curated by Harald Theiss, Luxemburg, L
2018 Related to Time, super bien - Gewächshaus,
curated Elisabeth Sonnek und Anne Katrin Stork
the object before, Galerie Maniere Noire, Berlin, D
Britzenale 2, curated by Christof Zwiener, Berlin, D
Refusing to stand still, curated by Vassilis Oikonopulus
Saudi Art Council, SAU
Mischkultur, Städtische Galerie Cordonhaus, Cham, CH
2017 Mischkultur Landesgalerie im Trakl Haus Salzburg, A
sommer.frische.kunst, Bad Gastein, A
Geradewohl, Toolbox Finnish-German Art Space, Berlin, D
Wechselraum, ein kollaboratives Projekt von Ulrike Mohr,
Deutscher Künstlerbund Projektraum, Berlin, D

2016 Norm wird Form, Lage Egal, Projektraum Berlin, D
Kaleidoskop, L'oiseau presente..., Ballhaus Ost, Berlin, D
Wechselraum, eine kollaboratives Projekt von Ulrike Mohr,
Deutscher Künstlerbund Projektraum, Berlin, D
2015 Die Spur des Anderen, Galerie Weisser Elefant, Berlin, D
Appearance & Essence, Timisoara Art Encounters, RO
Körpersprache, Galerie Curtze, Salzburg, A
2014; Anonyme Zeichner, Milchhof, Berlin, D
three women, curated by Mark Gisbourne,
Galerie EBENSPERGER, Berlin, D
der Anfang steckt im Ende, Ortstermin Moabit, Berlin, D
2013 edition NORM, Salon Babette, Berlin, D
Bahnhof Wilmersdorf, curated by Inge Mahn, Uckermark, D
Sophienholm, Dänemark, DK
essays in sculpture and painting, curated by Nathalie Hoyos,
Galerie Curtze, Vienna, A
2012 Myspace, Projektraum Bethanien, Berlin, D
Crossing Abstraction, Kunstraum Erfurt, D
Forum für konkrete Kunst, Erfurt, D
2011 Funkhauspreis, Berlin,D
privatview, curated by Maja Skrebot, Berlin, D
Zeichnung WIEN, Galerie Curtze, Wien,A
2010 space invasion, Galerie Borch Jensen, Berlin, D
UM10 - Festival für zeitgenössische Kunst und Musik, Uckermark, D
Measuring Potentials, curated by Marc Gloede, P88, D
2009 Zeigen, eine Audiotour, temporäre Kunsthalle, Berlin,D
Crossing Abstraction, Kunstraum Bethanien, D
Sommer(r)eigen, Galerie Curtze, Salzburg, A
Licht und Raum, Galerie Weisser Elefant, Berlin, D
poliflur, Kunsthaus Frise, Hamburg, D
2008 UM08 - Festival für zeitgenössische Kunst und Musik, Uckermark, D
2007 One Minute, Ackerstrasse 11, Berlin, D
Spannungsfelder, Galerie Heike Curtze, Salzburg, A
Spaceinvasion, Wien, A


collections
Foundation Massey, New York, USA
Sammlung Humanic, Graz, A
Sammlung Alexejew/Brandl, Berlin D
Private Sammlungen

scholarship
Kunstdepot Göschenen, CH


Links:
www.heikecurtze.com
www.um-festival.de
www.manierenoire.net
www.edition-norm.com

Kataloge

Was zur Hand ist
Ilona Kalnokys plastische Enzyklopädie

Falten, mischen, schütten, quetschen, schichten, rollen, stapeln – all diese
Tätigkeiten hat Ilona Kalnoky in den letzten Jahren immer wieder vollführt.
Für diese Handlungen hat sie einfachste Materialien benutzt: Sand und Salz,
Ton und Beton, Schaumstoff und Plexiglas. Manche der so entstandenen
Objekte sind für sich genommen recht unspektakulär, manche existieren
garnicht mehr; so der Gipskloss, den sie mit Wucht an die Wand
geschleudert hat und der dort auseinandergeplatzt hängen blieb.
Da prangt er jetzt noch als Zeugnis einer hoch emotionalen Handlung.

Anderen Objekten hingegen hat die Zeit unfreundlich mitgespielt:
Bei der Schaumstoffrolle, die Kalnoky nahezu mittig gefaltet, in einen oben
offenen Plexiglaskasten gepresst hat, sind die beiden unterschiedlich lang
herausschauenden Enden vergilbt, während das Mittelstück makellos
geblieben ist. Auch der weisse Ballon schliesslich, den die Künstlerin in eine
Schraubklemme gezwungen hat, wird nicht ewig so schön prall bleiben und
sich mit seiner Oberflächenspannung der Klemme entgegenstemmen.
Nach und nach wird er Luft verlieren und irgendwann als leerer Schlauch
zwischen den offenen Enden der Klemme liegen.


Beiläufigkeit statt Verewigung
Mit klassischer Bildhauerei hat das natürlich wenig zu tun. Schliesslich war
diese doch auf Dauerhaftigkeit des Abbildes und somit auf Verewigung des
oder der Dargestellten angelegt: Bilder von Helden und Herrscherinnen,
Heiligen und Allegorien wurden darum mit Vorliebe in Marmor geschlagen
und Bronze gegossen, um die Erinnerung an sie so lang wie möglich wachzuhalten.
So bevölkern Franz Joseph I und Wilhelm II, Mozart und Wagner, Grillparzer
und Goethe noch heute vorzugsweise die städtischen Anlagen und gemahnen
an manchmal nur noch vergangene Grösse.

Für die Kunst des 20. Jahrhunderts, die Eigenschaften wie Dynamik und
Metamorphose feierte, war die Skulptur just aus den vorgenannten Gründen
eher ein Wechselbalg denn ein geliebtes Kind. Die bahnbrechenden
Neuerungen schienen sich sowieso eher in Malerei und Zeichnung,
wenn nicht gar nur in den neuen Medien wie Fotografie und Film und den
ephemeren Gattungen wie Performance und Konzept zu ereignen.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg holte die Skulptur mit der Adaption von
alltäglichen Materialien wie industriell hergestellten Stoffen und neuen
Präsentationsformen wie der Kinetik den Vorsprung der anderen Gattungen auf.

Hier kann Ilona Kalnoky anknüpfen, wenn sie Materialien wie Schaumstoff
oder Zement verwendet, die eigentlich aus der Produktion von Gebrauchs-
objekten stammen und von Kunstströmungen wie der Pop Art just wegen
ihrer Banalität schon in die Kunst eingeführt worden sind.

Die Stoffe sind günstig verfügbar, schnell bei der Hand und vermitteln daher
unmittelbar den konzeptuellen Charakter der meist kleinformatigen Arbeiten.
Denn um die besonderen handwerklichen Fähigkeiten, die es zum Hauen von
Skulptur oder Giessen von Plastiken braucht, geht es bei Kalnokys Arbeiten
offensichtlich nicht. Vielmehr zielen sie ab auf das Ausprobieren und das
Vermessen der künstlerischen Möglichkeiten der Plastik, die prinzipiell auf
Aufhäufen, Anfügen und Verformen von zumeist weichen Massen beruht.

Leib statt fester Form
Dabei soll die alltägliche, unvirtuose, plastische Geste, die die
Formveränderung hervorgebracht hat, ebenso sichtbar bleiben wie der
körperhafte Charakter der Arbeiten: Wie ein lebendiger Leib sollen die
Plastiken aufrechtstehen und sich strecken, aber auch beengt sein und
zusammensinken, sich zersetzen und verfallen.

Hier ließe sich fragen, ob es eine typisch österreichische Plastik gibt,
die sich mit einer deutlichen Prise Humor vor allem für die Bedingungen des
Leibes interessiert, von den physiognomischen Experimenten Franz Xaver
Messerschmidts über die Performances der Wiener Aktionisten und
Franz Wests Passstücke zu Erwin Wurms One-Minute-Sculptures reicht
und unter die sich Ilona Kalnokys Plastiken einreihen lassen.

Die Verbindung von Konzeptualität und Körperhaftigkeit, die Kalnoky in ihren
Arbeiten schafft, zeigt sich darüber hinaus darin, dass sie die Enzyklopädie
der plastischen Begriffe, mit denen sich ihre Arbeiten beschreiben lassen und
die eben auch Phänomene des menschlichen Leibes und seiner Psyche wie
Lachen umfassen, in der Ausstellung von einem Schauspieler lesen lässt,
sodass Stimme und Klang ebenfalls zu Anteilen des plastischen Prozesses werden.

© 2017 Heinz Stahlhut


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Relief Gips, Ausstellungsansicht, 2009 Galerie H. Curtze Berlin

Es braucht sich gegenseitig.
Das plastische Werk Ilona Kálnokys

Die 1968 in Österreich geborene Bildhauerin Ilona Kálnoky lebt und arbeitet seit 1994 in Berlin. 2003 beendete sie als Meisterschülerin ihr Studium an der Kunsthochschule Weißensee. Seitdem hat sie in Ruhe
und mit Bedächtigkeit ein Werk von großer Eigenständigkeit entwickelt.

Auf formaler Ebene besticht es durch das hohe Maß an Reduktion.
Es sind geradezu archetypische Formen, zu denen Ilona Kálnoky immer wieder zurückkehrt: Der Kreis, die Kugel, die Säule, der Stab.
Die Materialien werden weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand belassen.

Die Sparsamkeit der Mittel stellt keinen asketischen Selbstzweck dar, sondern ist eher als Instrument einer Bloßlegung stofflicher, sinnlicher Qualitäten zu verstehen. Ihre Beschaffenheit bestimmt die Möglichkeiten der Formgebung und den Radius künstlerischer Handlungen.

Die nicht-figurative Abstraktion ihrer Werke ermöglicht einen unver-
stellten Blick auf ein Materialverständnis, das zutiefst körperlich und emotional geprägt ist.

Ilona Kálnokys Werke zeugen häufig von der eigenen plastischen Hervorbringung. Der künstlerische Prozess ist dabei ein integraler Teil ihrer Sichtbarkeit. So schichtet die Künstlerin aus Gipsfladen einen meterhohen Pfahl auf, bis er zur Decke des Ausstellungsraums reicht und in seiner stofflichen Präsenz von seiner Entstehung berichtet (column, 2010).
Ähnlich verhält es sich bei einem Baumstamm, der durch Schnitzen mittig soweit verjüngt wurde, dass er leicht eingeknickt zwischen Boden und Decke des Ausstellungsraums eingeklemmt werden kann (timber!, 2008). Es fällt das Prekäre, scheinbar Vorläufige dieser Anordnungen auf, die jederzeit drohen umzufallen oder zu zerbrechen und genau in diesen Momenten auf das körperliche Empfinden der Betrachter zielen.

Bei einer anderen Arbeit wird feuchter Gips an eine Wand geschleudert,
wo er sich zu einem grauen Klumpen verdichtet mit einer Aura von Spritzern, in denen die Dynamik des schöpferischen Aktes aufbewahrt ist (Wurfrelief, 2008).

Auf der Gegenwärtigkeit eines zeitlichen Prozesses beruht auch die aus einer fotografischen Serie und einem Bronzeguss bestehende Arbeit, die die Verformungen eines Tonquaders durch seinen 28maligen Fall auf den Boden dokumentiert (skulptUR, 2008). Die Fotosequenz erzählt von den Wirkungen der Erdanziehung auf die labile Substanz. Man meint das Klatschen
des Tons beim Aufschlag zu hören. Es ist eine Kraft, die den Tonlaib immer weiter auseinanderzieht, bis er am Ende in zwei Teile zerbricht. In diesem Zustand wurde er abgeformt und dann in Bronze gegossen, gleichsam als Bannung des entopischen Vorgangs.

Eine andere Arbeit mit dem gleichen Titel, die ebenso von der Idee einer plastischen Urszene aus der Begegnung eines formbarem Materials mit
einer physikalischen Kraft getragen ist, besteht aus zwei in Aluminium gegossenen Tonklumpen, die von den Fäusten der Künstlerin in Form
geklopft wurden (skulptUR III, 2007).
Als Fesselung von im Material gespeicherten Energien lässt sich
wiederum die von einer Anglerschnur kunstvoll umwickelte gebogene Edelstahlplatte interpretieren, die jederzeit die aufgestaute Kraft
wieder freisetzen könnte (gebogen I + II, 2006).

Auch in Kálnokys jüngster Werkserie von gestapelten Klinkersteinen,
die teilweise mit Farbe übergossen wurden, ist die Wirkung der Erdanziehung als formende Kraft greifbar (o.T., 2012). In der Aufrichtung
der Steine als Raumstele steckt der Moment einer Überwindung genau
jener Gravitation, die für den Verlauf der Farbe verantwortlich war.
Auch wird das Eigengewicht der Steine durch die teils gegenläufigen Verläufe aufgehoben.

Die leiblichen Metaphern im Werk Ilona Kálnokys erscheinen häufig,
wie beschrieben, als Spuren eines körperlichen Kontaktes oder einer
von der Künstlerin ausgelösten bzw. inszenierten Krafteinwirkung.
Aber ebenso sind sie in der Konsistenz der verwendeten Materialien präsent, wie etwa bei der hautähnlichen Silikonlache, unter der sich ein unidentifizierbarer Gegenstand versteckt hält (creep, 2010) oder
den durch eine Zwinge gehaltenen kleinen Luftballon (air, 2011).

In den neueren kinetischen Arbeiten erscheinen Körpermetaphern nicht allein durch Bewegungen, sondern sind ebenso bei den damit verbundenen Geräuschen als eine zusätzliche Ebene von der Künstlerin intendiert:
Ein großes Blatt Papier wird durch eine Schnur in einer langsamen Bewegung emporgezogen und wieder heruntergelassen (inhalexhale, 2012).
Zwei im Raum verspannte elastische Bänder öffnen sich durch die Wirkung
von Seilwinden zu einer rautenähnlichen Form und ziehen sich dann
wieder ruckartig mit einem sirrenden Geräusch zusammen (strrr, 2011).

Oder auch die komplexe Arbeit aus sich drehenden kreisförmigen
Spiegeln, die mit einem irritierenden Geräusch aneinander kratzen
und den gesamten Raum in der Wirkung ihrer Katoptrik und der sich
bewegenden Lichtreflexe mit einbeziehen (sszzzsss, 2011).

Ilona Kálnokys Arbeiten sind dialogisch aufgebaut. Sie basieren auf
Begegnungen verschiedener Materialien, zu denen auch der umgebende
Raum in seinen stofflichen Grenzen zu rechnen wäre.
Die Künstlerin konzentriert sich dabei in teilweise versuchsähnlichen Anordnungen auf die Folgen eines spezifischen Kontaktes von zwei Entitäten.

Es geht Ilona Kálnoky um elementare plastische Setzungen im Raum,
die als Speicher von Handlungen und Wirkkräften somatische Erlebnisse
im Betrachter freisetzen.

© Marc Wellmann 2012



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column (Foto: Roman März)
Ausstellungsansicht crossing abstraction,
2009 Kunstraum Bethanien, Berlin

Spuren und Anwesenheiten
Ilona Kálnoky

Jede ernste Betrachtung der neueren plastischen Entwicklungsformen bei Ilona Kálnoky ruft unmittelbar Fragen um die Lyrik des Raumes und die Zerbrechlichkeit der Materialien hervor.

Im Laufe der letzten zehn Jahre hat Kálnoky eine eigene ausdrucksstarke Sprache entwickelt, die sowohl organische als auch künstliche Materialien in ein neues und höchst persönliches Verhältnis zusammenfügt. Die Materialien umfassen alles Mögliche: von Spiegeln über Silikon, Gips, Lattenholz, Gummibänder, und Kunststoffballons bis hin zu Aluminium und Bronze.

Indem sie ihre Materialien neu zusammensetzt oder einander gegenüber-
stellt, untergräbt Kálnoky die abgeschliffenen Meinungen über Hoch- und Popkultur, das Wesentliche und das Entropische, und fasst kontinuierlich in mancher Hinsicht, doch in höchst persönlicher Art und Weise, die plastischen Entwicklungen der Bildhauerei im 20. Jahrhundert zusammen.

Ob sie synthetische oder organische Materialien verwendet, vermittelt uns Kálnoky stets ein sinnliches Bewußtsein über deren ursprünglichen Zustand von Natur bzw. von Fabrik aus. Eine Besonderheit ihrer Methodik ist es, dass sie ihre Ausgangsmaterialien selten mit einer Haut bezieht, wie etwa Farbe oder Sekundärbeschichtungen, um sie zu tönen oder zu verkleiden.

Nur in diesem Sinne dürften sie als unmittelbare, phänomenologische Gegenstände mit eigenem, innigem, aber vorübergehendem Bewußtsein einer meditativen und nach innen gerichteten Präsenz gesehen und wahrgenommen werden.
Die äußere Erscheinung Kálnokys Kunst verrät zwar keine Spannung, keinen Lärm, auf einer ganz anderen Ebene ziehen sie doch den Betrachter in Bann und lassen ihn eine heimliche innere Spannung erleben. Insoweit finden wir Luftballons in einem Zustand des Einengens und Erdrückens, oder angespannte Gummibänder.

Der Raum um die Skulpture oder Installationen bietet eine optische Spannung dar, die sich stets verschiebt, indem man eine neue Perspektive einnimmt, um sie vollständig zu assimilieren. Dass das Gleichgewicht in ihrer Kunst sich stets in Ungleichgewicht verwandelt, legt nahe, dass sie – zumindest zum Teil – aus der aesthetischen Tradition des Post-Minimalismus (Bruce Naumann, Richard Serra, Felix Gonzales Torres, Eva Hesse usw.) hervorgeht.

Das heißt, das zunächst vermeintlich Standhafte ihrer Strukturen nimmt an der natürlichen und unausweichlichen Instabilität des Lebens teil, da wo das Wahrnehmungserlebnis in einem phänomenologischen Zustand des ständigen Wandels und der sinnlichen Variabilität verweilt. Doch gleichzeitig gibt es einen Zug des Konzeptuellen, des Semiotischen, des „Onomatopoeischen“ in ihrer Arbeit, das man häufig in den Werktiteln wiedererkennt: z.B. „space invasion“ (2010) oder „creep“ (2009-11).

Analytisch betrachtet kann man Ilona Kálnokys Skulpturen und Installationen mit Bezug auf psychischen und elementaren Begriffen begreifen; das heißt, mit Bezug auf ihren Einsatz von Materie und von Materialität als eine Art Erweiterung der Symbolik.

Es besteht offenkundig ein Nachhall von Bachelard in ihrer Arbeit, vor allem in der Lyrik des Raumes, in den vergänglichen emotionalen Gegenständen der Erde, der Luft, des Wassers (in der Materie und den Spiegelbildern);
durch Reflexion und Opazität; sowie in den sensorischen Gegen-
polaritäten des Ruhenden (Gips) und des Dynamischen (Elastizität),
die sich durch die von den Installationen ausgelösten innerlichen
Spannungen und die Erlebnisse des Betrachters ausdrücken.

Sich auf die Primärelemente berufen heißt daher sich auf einen
durch die Psyche gekennzeichneten Charakterzug berufen,
der Zustände des inneren Gewahrseins nahelegt.

Ich will zwar nicht behaupten, dass Kálnoky solche opaqen
psychischen Verweise mit Absicht herbeibeschwört, sie sind
dennoch als Überbleibsel da, indem sie auf die Verwendung und
den Einsatz der in der Arbeit eingebrachten Materialien eingeht.

Sie ragen unter den stofflichen Aspekten der Skulptur heraus und
müssen daher zwangsläufig aus dem inneren Bewußtsein der
Künstlerin herrühren. Ob sie auf industrielle Stoffe wie etwa Baustoffe
zugreift, oder eben im Gegenteil eine Urform entwickelt, die
letztenendes in Bronze gegossen werden soll – Kálnokys Quellen
haben stets als Wirkung, dass die Spuren des früheren Daseins
ihrer Materialien und den für sie visierten bzw. vorgestellten Einsatz
offengelegt werden.

Im Ergebnis erhöhen Kálnokys Arbeiten unser sinnliches Wahr-
nehmungsvermögen und verbinden uns aufs Innerlichste mit
sich durch eine mächtige, dingliche Anwesenheit.

© Mark Gisbourne,Samstag, 26. April 20

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material, 2014, Ballon, Holzleisten, Sand

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